MIGUEL A. GÓMEZ-MARTÍNEZ

Prensa

Prensa

Szenische Uraufführung von Pablo Sorozábals «Juan José» in Madrid


Szenische Uraufführung von Pablo Sorozábals «Juan José» in Madrid

2016-04-04

Kommt schließlich Otello als Fremdkörper, der nichts anderes möchte, als in ihrer Welt aufgenommen zu werden. Materiell benötigt die Gesellschaft den Fremdling, aber es existieren Ängste und Vorurteile gegenüber dem Fremden, der schließlich geopfert werden muss als derjenige, der das Reine besudelt hat. Das Bühnenbild von Paolo Fantin erinnert an das Innere eines venezianischen Palastes.

MADRID Juan Jose 17. Februar . Teatro de la Zarzuela

Das Teatro de la Zarzuela diente jahrzehntelang als Madrider Opernhaus, weil das Teatro Real — schon vor dem spanischen Bürgerkrieg geschlossen — seit 1966 nur als Konzerthalle, dann von 1991 bis 1997 im Umbau, nicht zur Verfügung stand. Danach fokussierte man sich wieder auf das Kerngeschäft — die Zarzuela. Sie ist ein Stück spanischer Kultur, eine Art „spanische Operette' und benannt nach dem „Palacio de la Zarzuela', dem heutigen Wohnsitz des spanischen Königs, wo Zarzuelas (zu Deutsch „Brombeergestrüpp') erstmals aufgeführt wurden, volkstümlich. Um diese Gattung verdient gemacht hat sich auch Pläcido Domingo, der selbst aus einer Familie von ZarzuelaKünstlern stammt. Pablo Sorozäba1,1897 im baskischen San Sebastiän geboren und 1988 in Madrid gestorben, hat beliebte und bekannte Zarzuelas komponiert, von denen für deutsche Hörer lediglich Ausschnitte aufTonträgern zur Verfügung stehen. »Juan Josd« ist Sorozäbals einzige Oper. Sie spielt in einem Slum von Madrid mit seinen desillusionierten Bewohnern, die bis aufwenige Ausnahmen alle am Hungertuch nagen. Vor diesem Hintergrund entspinnt sich ein klassisches Eifersuchtsdrama, bei dem am Ende der Hauptakteur Juan Josd seine von ihm fanatisch geliebte Frau Rosa umbringt. Sie war in der Zeit, wo er wegen Diebstahls im Gefängnis gesessen hatte, zu ihrem Geliebten, dem reichen Paco gezogen. Eine solche Beschreibung der sozialen Missstände war dem faschistischen Spanien um Diktator Franco nicht genehm, und so erstaunt es nicht, dass die 1968 vollendete Oper erst 2009 erstmals aufgeführt wurde. Die Aufführung damals in San Sebastiän war konzertant, und mit der nun am Teatro de la Zarzuela präsentierten Produktion erfolgte die erste szenische, die zwar bereits für 1979 vorgesehen war, damals aber doch nicht zustande kam. »Juan Josd« ist eine große, tragische Oper mit dreifach besetztem Blech; verschiedene spanische Tänze werden zitiert, die als Reminiszenzen aufscheinen und sich packend in den tragischen Sog der bisweilen dramatischaufbrausenden Motive einschmiegen. Die Musik erscheint dabei modern, aber nicht atonal. Die veristischen Elemente in Musik und Handlung erinnern an Pietro Mascagnis Eifersuchtsdrama »Cavalleria rusticana«, aber auch Anklänge an Bizets »Carmen« drängen sich auf. Juan Josd selbst ist ein hoffnungslos Getriebener, der zwischen aufrichtiger Liebe, rasender Eifersucht und verzweifelter Angst von Angel ödena mit strahlendkräftigem Bariton gegeben wurde. Seine Interpretation dieser Gegensätzlichkeiten geriet wunderbar facettenreich und ausdifferenziert. Ein packendes Charakterporträt! Carmen Solis knüpfte an diese Leistung an: Ihre Rosa zwischen leichtem Flirt, Resignation und panischer Todesangst gelang mit Flexibilität, getragener Stimmführung und raumfüllender Ausdruckskraft sehr ansprechend. Auch wenn Personenführung und Inszenierung (Regie Josd Carlos Plaza) dezent und zurückhaltendunaufdringlich, bisweilen jedoch etwas steif ausfielen, so konnte MiIagros Martin als sehr alt gespielte Isidra schauspielerisch punkten. Ihr dunkeltimbrierter, tiefer Sopran offenbarte dennoch hörbare Intonationsprobleme an diesem Abend. Rosas Freundin Tohuela dagegen wurde von Silvia Väzquez abwechslungsreich mit jugendlichhellem Sopran gegeben.

Auf der Männerseite überzeugten Antonio Gandia als Paco mit kräftig schmetterndem Tenor und mühelos hell intonierten Höhen, Rubdn Amoretti brachte als Andrds einen formschönen und geschmeidigen Bass mit in die Partie, während der Bassist Ivo Stanchev als inhaftierter Cano mit Ausdrucksstärke punktete. Nestor Losän komplettierte als Perico mit sicher geführtem Tenor das insgesamt äußerst textverständlich singende junge Ensemble, das durch die spartanische Inszenierung und das Grau in Grau gehaltene Bühnenbild von Paco Leal
viel Raum zur musikalischen Ausgestaltung bekam. Unterstützt wurde der Regieansatz durch eine ebenso dezente Choreografie von Denise Perdikidis, die die spanischen Volksweisen und Tänze in behutsam angedeutete Bewegungen und Schritte der tanzenden TavernenGäste überführte und damit anschaulich die düstere Stimmung illustrierte.

Miguel Angel Gömez Martinez führte das Orquesta de la Comunidad de Madrid äußerst präzise und zupackend durch diese große tragische Partitur, während die Tänze und Volksweisen dabei wie beiläufig, melancholisch angehaucht als Erinnerung vergangener, besserer Zeiten anrührten. Dramatisch aufbrausende Crescendi und melodiös groß angelegte Spannungsbögen gelangen mitreißend. Das Publikum spendete auch deswegen am Ende begeisterten Applaus.

S. Barnstorf - DAS OPERNGLAS